In unserem vorherigen Artikel haben wir entdeckt, wie sich Jesus im sechsten Kapitel des Johannesevangeliums als das Brot des Lebens offenbart. Wir haben gesehen, wie seine Rede in der Tradition des von Gott in der Wüste geschenkten Manna verwurzelt ist, sie aber gleichzeitig radikal übertrifft. Heute setzen wir unsere Betrachtung fort und vertiefen das Geheimnis des Brotes des Lebens, das Jesus uns gibt – nicht nur als Wort, sondern als sein Fleisch und sein Blut, hingegeben für das Leben der Welt.
Eine totale Gabe für das ewige Leben
Nachdem Jesus die Brote vermehrt hatte, begann er, der Menge die wahre Bedeutung dieses Wunders zu lehren: Er ist nicht nur derjenige, der materiell sättigt, sondern er schenkt eine unvergängliche Nahrung. Doch was er danach sagt, geht noch weiter:
„Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, [ich gebe es hin] für das Leben der Welt.“ (Joh 6,51)
In der Bibel bezeichnet das Wort „Fleisch“ nicht nur den Körper, sondern die gesamte Person in ihrer menschlichen und beziehungsbezogenen Dimension. Mit diesen Worten verkündet Jesus nicht nur eine spirituelle Wahrheit, sondern er gibt sich selbst als Nahrung. Er vermittelt nicht nur eine Lehre oder ein Vorbild für das Leben – er gibt sich selbst vollständig hin. Diese Gabe führt zum ewigen Leben, zur Einheit mit Gott, zu einer Liebe, die weder Trennung noch Ende kennt.
Diese Erklärung erschüttert jedoch seine Zuhörer zutiefst. Wie kann er sein Fleisch als Nahrung geben? Was bedeutet eine solche Aussage? Anstatt ihre Verwirrung zu besänftigen, betont Jesus seine Worte noch stärker und fügt eine weitere, noch provokativere Dimension hinzu.
Entdecken Sie die neue Episode über die Rede vom Brot des Lebens, die achte Folge der Bibelreihe von P. Ludovic Nobel: „Das Johannesevangelium entdecken“.
Sein Fleisch essen und sein Blut trinken: Eine skandalöse Botschaft
„Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ (Joh 6,53)
Diese Worte lösten unter den anwesenden Juden heftige Diskussionen aus. In der jüdischen Tradition war Blut unantastbar und ausschließlich Gott vorbehalten. Doch hier fordert Jesus nicht nur dazu auf, sein Fleisch zu essen, sondern auch sein Blut zu trinken.
In der Bibel symbolisiert das Blut das Leben selbst – das Leben, das Gott schenkt und das ihm allein gehört. Das Trinken des Blutes bedeutet also, in völlige Gemeinschaft mit dem göttlichen Leben einzutreten. Diese Einladung, das Fleisch Christi zu essen und sein Blut zu trinken, geht über das bloße rationale Verständnis hinaus.
Es geht nicht um Kannibalismus, sondern um eine tief spirituelle Realität: Jesus gibt sich vollkommen hin, ohne Zurückhaltung, bis zum Kreuz. Dieselbe Botschaft wird im Johannesevangelium am Kalvarienberg bestätigt: „Einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“ (Joh 19,34)
Durch sein hingegebenes Leben führt Jesus in eine Gemeinschaft, die über die Grenzen des Todes hinausgeht. Sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken bedeutet, in sein österliches Geheimnis einzutreten, in diese hingegebene Liebe, die Leben schenkt.
Das eucharistische Brot: Nahrung für das Heil
„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tag auferwecken.“ (Joh 6,54)
Diese Worte deuten unmissverständlich auf die Eucharistie hin. In jeder Eucharistiefeier erinnert sich der Gläubige an diese Gabe und vereint sich mit dem lebendigen Christus. Die Brotvermehrung war nur ein Zeichen; das wahre Brot des Lebens ist Christus selbst, der als geistliche Nahrung gegeben wird.
Johannes 6 enthält nicht die Einsetzungsworte der Eucharistie wie die anderen Evangelien, bietet aber eine tiefgehende Meditation darüber. Jesus lädt dazu ein, an seiner Liebe, seiner Sendung und seiner Hingabe teilzuhaben. Die Eucharistie ist nicht nur ein Ritual, sondern eine Teilnahme am Leben Gottes.
Indem wir dieses Brot empfangen, werden wir zu dem, was wir empfangen: der Leib Christi für die Welt.
Eine Einladung, aus dieser Gabe zu leben
Jesus schließt seine Rede mit den Worten:
„Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird auch der, der mich isst, durch mich leben.“ (Joh 6,57)
Dieses Brot zu essen bedeutet, in eine lebendige Beziehung mit Gott einzutreten. Es ist keine isolierte Handlung, sondern ein Weg, der unser gesamtes Leben verwandelt.
Die Worte Jesu sind radikal. Viele, sogar unter seinen Jüngern, werden Schwierigkeiten haben, sie zu akzeptieren, und werden ihn verlassen. Doch diese Rede ist eine Einladung zum Glauben – nicht nur zu einer intellektuellen Zustimmung, sondern zur Annahme einer Liebe, die sich völlig hingibt.
Möge unsere Betrachtung dieses Textes uns für die lebendige Gegenwart Christi öffnen, des Brotes des Lebens, das sich uns jeden Tag schenkt.
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